Porträt des WSG-Mitglieds Herbert Fitzek
Prof. Dr. Herbert Fitzek, das WSG-Mitglied, das wir in unserer Reihe “Porträts” an zweiter Stelle vorstellen, hat sich wie kein anderer in die Geschichte der Psychologischen Morphologie eingearbeitet. Dabei sind die viel beachteten Bücher Der Fall Morphologie (1994) und Inhalt und Form von Ausdrucksbildungen als Zugangswege zur seelischen Wirklichkeit. Ein Vergleich von Inhaltsanalyse und Morphologie als Methodenkonzepte der qualitativen Sozialforschung (2008) entstanden. Das dritte Buch, das an dieser Stelle Erwähnung verdient, ist ein mit Wilhelm Salber zusammen 1996 veröffentlichtes: Gestaltpsychologie. Geschichte und Praxis.
Herbert Fitzek wurde 1957 in Köln geboren und studierte dort Psychologie, Philosophie und Psychopathologie. Er lebt und arbeitet seit 2005 in Berlin und reist (zum Leben und Arbeiten) gerne nach Wien, Zürich, Rom, Tel Aviv… Als Kölner kommt er besonders gerne in die Stadt am Rhein zurück und genießt Kultur, Kunst, Kölsch und Karneval. Er ist Vater von zwei Töchtern und erfreut sich am Kontakt zu Menschen, weil er Anlass für freundliche Begegnungen und witzige Bemerkungen bietet. Einen Kontrapunkt dazu bietet die Beschäftigung mit Geschichte und klassischer Musik – weshalb ihn beides nicht loslässt.
Herr Fitzek, was wünschen sie sich für die Zukunft der WSG?
Ein erster Wunsch ist schon erfüllt: Endlich gibt es eine Homepage, die Neuigkeiten verbreitet und zum Vernetzen einlädt. Viele Hundert Salber-Schülerinnen und Schüler wollen gerne voneinander hören und lesen. Erfreulich wäre auch ein Austausch mit verwandten Wissenschaftlern, die wie die Kulturpsychologen, Gestalttheoretiker und Psychoanalytiker neugierig auf psychologische Erfahrungen jenseits des Mainstreams sind. Besonders denke ich natürlich an den morphologischen Nachwuchs in Berlin und Köln, der sich aktiv für die Zukunft der Morphologie engagieren möchte.
Welches Gebiet oder Phänomen des menschlichen Lebens sollte morphologisch untersucht werden?
Was die Fülle der bisher untersuchten Phänomene angeht, bleibt wohl kein Wunsch offen. Als Hochschullehrer sind mir dabei wissenschaftliche Ansprüche wichtig. Denn sie verpflichten auf den Bezug zum Forschungsstand, die Entwicklung einer Forschungsfrage, die Klarstellung theoretischer Konzepte und die Offenlegung des empirischen Materials. So schön sprühende Ideen manchmal sind, es braucht für die Zukunft der Morphologie als Wissenschaft auch eine Rücksicht auf wissenschaftliche Konventionen – und zwar nicht als Kompromiss, sondern als Herausforderung!
Über welche Berührungspunkte haben sie die psychologische Morphologie kennengelernt?
Zur Morphologie bin ich in den siebziger Jahren als Musterschüler gekommen – im doppelten Sinne, von denen der wörtliche bei Salber überhaupt nicht ankam. Der mochte vor allem schräge Muster, die mir zunächst nicht verfügbar waren, obwohl ich von Anfang an das Gefühl hatte, ohne sie könnte aus mir nichts werden. Ich habe mir meinen Weg über die Beschäftigung mit der Geschichte des Denkens und der Philosophie gesucht und fand es aufregend, dass Salber in den 1980er Jahren begann, genau darüber Vorlesungen zu halten. Sie brachten mir den Kern der Morphologie schließlich auch ohne Berührungen nahe.
Welches psychologische Buch nehmen Sie immer mal wieder zur Hand?
Da darf ich in diesem Zusammenhang die „Seelenrevolution“ nennen, die einen winzigen Ausschnitt der berührenden Vorlesungen bietet. Den Weg von der Geschichte der Psychologie zur Seelengeschichte hat Salber übrigens erst kurz vor Erscheinen des Buches gefunden, als er die Märchen als Schlüssel zu Gesamtfigurationen des Erlebens und Verhaltens bestimmter Epochen entdeckte. Das gab der Morphologie eine neue Wendung als Kulturpsychologie: Unser Alltagsrepertoire ist ein Ergebnis historisch erlernter (Verwandlungs-) Muster, deren Abfolge sich Salber als Comic (History) vorstellte.
Welches Land würden Sie einmal gerne bereisen?
Am liebsten schaue ich mir überall in der Welt Museen für moderne Kunst an – wegen der Werke und der Architekturen. Dafür muss man nicht weit reisen (an der Uni Köln haben wir einmal Bonn, Herford und Hombroich bereist und untersucht). Reisen führten mich auf diesem Weg zuerst in die Guggenheims nach New York und Bilbao, letztes Jahr war ich bei Oswald Niemeyer in Rio, dieses Jahr bei Getty in Los Angeles. Vor wenigen Wochen hat das MOCAA in Kapstadt aufgemacht. Klare Antwort: This time for Africa!
Gestalt und Verwandlung ist das zentrale Urphänomen der psychologischen Morphologie: in wen oder was würden sie sich gerne für einen Tag verwandeln?
Eine schöne Schlussfrage. Als Freund von Zeitreisen, historischen Dramen, Adel, Generälen und Widerstand gegen Autokraten würde ich mir Oberst Graf Stauffenberg am 20.7.1944 auswählen – und die Aktentasche ein wenig weiter unter dem Tisch platzieren, damit sie nicht irgendein Idiot zur Seite schieben und so den Lauf der Weltgeschichte aufhalten kann. Solchen Mut würde ich selbst vermutlich kaum aufbringen, muss es aber auch nicht, wenn ich die Frage richtig verstehe und mich am nächsten Tag wieder am Schreitisch in der BSP wiederfinde…
Herr Fitzek, wir danken Ihnen für ihre Antworten.