Porträt des WSG-Mitglieds Michael Schütz
Dipl.-Psych. Michael Schütz wurde 1967 in Brühl geboren. Er studierte von 1988 bis 1995 in Köln u.a. bei Wilhelm Salber. Zusammen mit der Art Directorin Monika Heimann gründete er 2011 die Forschungs- und Kreativagentur INNCH – innovation guided by research. Das Unternehmen entwickelt Konzepte und Entwürfe für Design und Produkt, die sich konsequent an morphologischer und zugleich praxisintegrierender Forschung ausrichten. Zuvor war er lange in der Marktforschung tätig, u.a. in Festanstellung bei rheingold.
Zudem ist er Dozent für qualitative Forschungsmethoden in der Psychologie an der ISM Köln. Er engagiert sich ehrenamtlich als Regionalgruppenleiter im Berufsverband Deutscher Marktforscher BVM. Darüber hinaus veranstaltet er gemeinsam mit seiner Partnerin Aktionen im Bereich Konzeptkunst und Konzeptmusik. Auch die Kunstprojekte sind zum Teil aus psychologisch-morphologischer Forschung entstanden. Neben Artikeln und Buchbeiträgen u.a. zur Psychologie der Kreativität veröffentlichten beide 2016 das Buch „Wie Design wirkt“, das inzwischen zu einem Standardwerk für Designer geworden ist.
Herr Schütz, was wünschen sie sich für die Zukunft der WSG?
Für mich sind die Gespräche in der Wilhelm Salber Bibliothek ein Prototyp für das, was ich mir von der Gesellschaft wünsche: Ins Gespräch kommen und damit den Austausch zwischen den verschiedenen Lebensformen der Morphologie ‚da draußen‘ fördern. Vielleicht darüber auch ausloten, was die psychologische Morphologie nach Salber selbst an Verwandlung aushält. Das tangiert m.E. durchaus auch das Überleben der Morphologie auf längere Sicht. Ich habe einen Satz von Salber im Kopf, den ich nur sehr sinngemäß wiedergeben kann: „Tun Sie, was Sie wollen, solange Sie in Gestalt und Verwandlung denken.“ Ob er das wirklich so gesagt und auch gemeint hat, ist mir weniger wichtig. Mir gefällt es. Innerhalb einer morphologischen Grundhaltung ist vieles möglich, und darüber erhoffe ich mir ein offenes und befruchtendes Ins-Gespräch-Kommen jenseits jeder Orthodoxie.
Welches Gebiet oder Phänomen des menschlichen Lebens sollte morphologisch untersucht werden?
Mich interessieren immer gesellschaftliche und politische Entwicklungen. Vom Umgang mit der sog. Digitalisierung bis hin zu brisanten Themen wie Rechtsradikalismus. Ansonsten das Thema Musik, hier wurde meines Wissens bisher wenig geforscht. Und Kunst. Hier insbesondere die Bedeutung zeitgenössischer Kunst im gesellschaftlichen Kontext und Kunst aus der Perspektive des Künstlers und Kunstschaffens. Obwohl Kunst eine so zentrale Bedeutung für die Morphologie hat, beschränken sich morphologische Studien doch recht einseitig auf den Betrachter.
Über welche Berührungspunkte haben sie die psychologische Morphologie kennengelernt?
Als ich in Köln noch ganz naiv mit dem Studium begonnen habe, wusste ich nichts von der Morphologie. Mein erster Berührungspunkt waren Kommilitonen, die sagten, dass für sie alles andere keine Psychologie sei, und die ich für einen ziemlich überheblichen Haufen hielt, und auch ansonsten nur kryptisch-esoterisch daher redeten. Daher habe ich mich in den ersten Semestern an das ‚andere‘ Institut gehalten. Im Verlauf des Studiums setzte dann das schale Gefühl ein, dass mir die Mainstream-Psychologie kein praktisches psychologisches Rüstzeugs an die Hand geben wird. Ich glaube, die Initialzündung, mit der ich die Morphologie dann für mich entdeckt und lieben gelernt habe, war ein Forschungspraktikum bei Weber zum Leben in der Stadt Köln.
Welches psychologische Buch nehmen Sie immer mal wieder zur Hand?
Eigentlich entdecke ich ja lieber neue Bücher, die auch mal sehr alte sein können. Gerade erst habe ich Julius Bahle entdeckt, der bereits ab Ende der 1920er Jahre musikalische Schaffensprozesse untersucht hat. Seine historisch-experimentelle Methode zeigt erstaunliche Parallelen zu zentralen Konzepten der Morphologie. Ansonsten lohnt sich immer ein Blick in Rudolf Arnheim Visual Thinking sowie Kunst und Sehen, aber auch Salber Kunst – Psychologie – Behandlung und Psychästhetik – wenn man nicht zuviel auf einmal darin liest.
Welches Land würden Sie einmal gerne bereisen?
Früher bin ich viel um die halbe Welt gereist, möglichst weit weg. Daher fehlen mir innerhalb Europas noch viele Ziele. Schottland und Irland reizen mich gerade.
Gestalt und Verwandlung ist das zentrale Urphänomen der psychologischen Morphologie: in wen oder was würden sie sich gerne für einen Tag verwandeln?
Als leidenschaftlicher Fan von Science Fiction und Zeitreisen: in einen römischen Bürger im antiken Köln. Keine bekannte Persönlichkeit, sondern ein ganz normaler Mensch, um mich dann in Ruhe umzusehen und mit den Leuten zu sprechen (fließend Latein sprechen zu können, müsste im Verwandlungs-Angebot aber schon mit drin sein)
Herr Schütz, wir bedanken uns für Ihre Antworten.