Porträt des WSG-Mitglieds Uri Kuchinsky
Dipl.-Psych. Uri Kuchinsky wurde 1954 in Tel-Aviv geboren. Er hat von 1975 bis 1982 bei Wilhelm Salber in Köln studiert, war regelmäßiger Teilnehmer von dessen Oberseminaren. Parallel zur Psychologiestudium studierte Uri Kuchinsky Philosophie und Geschichte. Seit 2010 ist er als Geschäftsführer des Instituts für Psychoanalyse und Psychotherapie, Düsseldorf tätig. Davor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung zur Förderung der Philosophie. Er bekleidete überdies diverse freiberufliche Tätigkeiten. Zum Beispiel als Psychologe für ifp, Evolog, Tangen-Petraitis Training & Beratung, Rheingold. Er veröffentlichte Artikel zu psychologischen (siehe Zeitschrift anders) und anderen Themen.
Herr Kuchinsky, was wünschen sie sich für die Zukunft der WSG?
Die Nähe, die uns durch den Namen Wilhelm Salber verbindet, erscheint wie selbstverständlich. Sie bildet eine Gemeinsamkeit, etwas, dass miteinander geteilt wird. Ich meine eine Gemeinsamkeit, die nicht gleichartig ist, keine Uniformität. Wenn etwas sehr nahe ist, ist es ratsam zuweilen auf Abstand zu gehen, wie beim Betrachten eines Kunstwerks. Insofern wünsche ich, dass wir auch weiterhin der Frage nachgehen, was uns zu einer „Gesellschaft“ verbindet die den Namen Wilhelm Salbers trägt, aber auch was uns möglicherweise trennt. Das wird sich erst mit der Zeit erweisen.
Welches Gebiet oder Phänomen des menschlichen Lebens sollte morphologisch untersucht werden?
In systematischer Hinsicht schlage ich vor, die Kategorie / Dimension und das rätselhafte Gebilde der Zeit im Spiel aller Bedingungen zu berücksichtigen und bei der Analyse von Wirkungseinheiten und Werke einzubeziehen. Psychologische Untersuchungen zu den Wirksystemen des Politischen halte ich für aktueller denn je. Zum Beispiel zu den Formen politischer Kampagnen in den alten und neuen Massenmedien, der Inszenierung politischer Werbebotschaften. Oder: Wie mit unbewusst wirksamen Bildern Politik gemacht wird. Oder: Lässt sich im System der Psychologischen Morphologie ein aussagekräftiges Modell von Eskalation entwickeln? Ab wann und wie geraten Intensivierungen außer Kontrolle?
Über welche Berührungspunkte haben sie die psychologische Morphologie kennengelernt?
Ich kam von der Philosophie und fand bei Salber viele Anknüpfungspunkte an bestimmte philosophische Traditionen. Immanenz als Ressource, was für ein Glück! Keine Langeweile, keine alte aber auch keine neue Metaphysik, sondern abenteuerliches Denken, zugleich anschaulich und voller Bezüge zu Literatur, Film, Kunst und vor allem die Hinwendung zu alltäglichen Phänomenen mit ihren banalen Ritualisierungen und Überraschungen, Konstruktionen und Mythen. Dazu eine kohärente Theorie und Methode. Keine bequeme Psychologie, keine Ersatztheologie, sondern ein offenes, bewegliches System, welches berücksichtigt, dass sich der Psychische Gegenstand nach eigenen Regeln und Versionen entwickelt und unbewusst funktioniert, inklusive Witz und Wahn.
Welches psychologische Buch nehmen Sie immer mal wieder zur Hand?
Zuletzt habe ich die „Radikale Ganzheitspsychologie“, die Vorlesungen und Kolloquien von Salber aus den Jahren 1992/3 gelesen.
Welches Land würden Sie einmal gerne bereisen?
Norwegen. Ich war nie nördlicher als Kiel.
Gestalt und Verwandlung ist das zentrale Urphänomen der psychologischen Morphologie: in wen oder was würden sie sich gerne für einen Tag verwandeln?
In die Kleine Hexe aus Otfried Preusslers gleichnamigen Buch. Oder in ihren Raben Abraxas. Am liebsten in beide.
Herr Kuchinsky, wir bedanken uns für Ihre Antworten.