Porträt des WSG-Mitglieds Gerhard Bliersbach
Gerhard Bliersbach wurde im April 1945 in Thüringen geboren. Seine Großeltern und seine Mutter waren während des Krieges dorthin evakuiert worden. 1953 kam er nach Köln, wo er bis 1993 lebte. Er hat längere Zeit in Yorkshire verbracht und blieb England bis heute verbunden. Seine derzeitige Heimat sind seine Familie in Hückelhoven und die Welt um seinen Schreibtisch, den er von seinem Großvater erbte. Dort entstand eine Reihe von Büchern und Aufsätzen zur Geschichte des deutschen Films, zu einzelnen Filmwerken und aktuellen psychologischen Themen. Der Schreibtisch ist auch der Ort, an dem seit 2010 Gerhard Bliersbachs persönlicher Blog entsteht: Einsprüche. In ihm nimmt er zu aktuellen, gesellschaftspolitischen Themen Stellung und untersucht sie „aus der (methodischen) Perspektive des durchschnittlich informierten Zeitungslesers“.
Berufliche Erfahrungen machte Bliersbach zunächst in der verkehrspolitischen Forschung und arbeitete dann dreißig Jahre lang vor allem als Gruppentherapeut in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Abteilung des Landeskrankenhauses Düren. Seine eindrücklichsten Erfahrungen machte er in der forensischen Abteilung mit straffällig gewordenen, zur Psychotherapie gewissermaßen verurteilten, Patienten. Seit 1999 ist er als forensischer Gutachter tätig.
Bliersbach ist zum zweiten Mal verheiratet, Vater einer im letzten Master-Jahr studierenden Tochter. Er in einer Familie, zu der die zwei Söhne seiner Frau gehören. Mit komplexen Familienkonstellationen beschäftigt er sich auch in seiner jüngsten, im November 2018 erscheinenden, Publikation: Mit Kind und Kegel. Ratgeber für Patchworkfamilien (Psychosozial-Verlag, Gießen). Bei dem Gespräch in der Wilhelm Salber Bibliothek am 12. November 2018 um 20.15 Uhr wird er dieses Buch vorstellen.
Herr Bliersbach, was wünschen sie sich für die Zukunft der WSG?
Zunächst wünsche mir einen regen Austausch über die morphologischen Konzepte. Ich würde mich aber auch über eine verstärkte, von Morphologen geführte Diskussion über die persistierenden, tiefen Konflikte unserer Zeit wünschen. Ich denke dabei an den Wachstums-Wahn, an Verteilungsgerechtigkeit, an das Niveau zivilisatorischer Differenzierung und an die unausweichlichen Folgen irreversibler Veränderungen unserer Lebensbedingungen.
Über welche Berührungspunkte haben sie die psychologische Morphologie kennengelernt?
Hier spielt vor allem der Beginn meines Psychologie-Studiums bei Wilhelm Salber 1964 eine Rolle. Dann ein erster Test seines Konzepts von Forschung mit der Vordiplomarbeit über „Erlebensstrukturen zweier NS-Spielfilme“. Mächtige Ernüchterung über die Komplexität des forschenden Handelns. Danach – in einem 40jährigen Berufsleben – Erfahrungen der polemischen Abweisung, der Wiederannäherung und der (späten) Anerkennung der radikalen, tragfähigen morphologischen Konzeption.
Welches psychologische Buch nehmen Sie immer mal wieder zur Hand?
Meine Leib- und Magenlektüre: Erwin Straus‘ Vom Sinn der Sinne – unschlagbar modern.
Welches Land würden Sie einmal gerne bereisen?
Indien.
Gestalt und Verwandlung ist das zentrale Urphänomen der psychologischen Morphologie: in wen oder was würden sie sich gerne für einen Tag verwandeln?
In Helge Braun, den Chef des Bundeskanzleramtes. Ich würde gerne wissen, ob ich mehr erfahren kann, als ich mir vorstelle und befürchte.
Herr Bliersbach, wir bedanken uns für Ihre Antworten.