Porträt des WSG-Mitglieds Prof. Dr. Gernot Schiefer aus Saarbrücken

Prof. Dr. Gernot Schiefer wurde 1964 in Düsseldorf geboren. Er begann 1983 Psychologie in Köln zu studieren und konzentrierte sein Studium auf die Morphologie von Wilhelm Salber. Nach seinem Abschluss 1991 ging er nach Saarbrücken in eine Unternehmensberatungsgesellschaft, arbeitete dort zwei Jahre im Bereich Personalentwicklung und -beratung und war anschließend freiberuflich bei Prof. Dr. Melchers im IFM Freiburg beschäftigt. 1995 gründete er mit einem Partner die ProSpector® Marketingberatung und in den folgenden ca. 17 Jahren wurden zahlreiche morphologische Marktforschungsprojekte und Personalkonzepte entwickelt und durchgeführt.

Parallel absolvierte Gernot Schiefer neben mehreren Coaching-Weiterbildungen auch eine psychoanalytische Ausbildung. Er ist seit 2003 als Psychoanalytiker (DPG) niedergelassen und seit 2008 IPV-Mitglied.

2006 wurde er von Prof. Dr. Lutz von Rosenstiel (LMU München) und Prof. Dr. Dieter Witt (TU München) mit einer morphologischen Arbeit zur unbewussten Motivationsstruktur des Blutspendens promoviert. 2012 wurde er zum Professor für Wirtschaftspsychologie, Marketing und Human Ressources an der FOM Hochschule berufen. Zusammen mit drei Kolleg*innen entwickelte er zwei neue Studiengänge für Wirtschaftspsychologie (Bachelor und Master), die heute mit ca. 11.000 eingeschriebenen Studierenden die größten in Deutschland sind. Im Jahr 2020 gründete er mit einer Kollegin an der Hochschule ein KompetenzCentrum für Qualitative Forschung (KCQF), welches sich gezielt um die Etablierung und Verbreitung qualitativer Forschung an der Hochschule bemüht.

Gernot Schiefer ist seit 32 Jahren mit seiner Frau zusammen und sie haben zwei erwachsene Kinder. In seiner Freizeit unternimmt er regelmäßig ausgedehnte Motorradreisen und betreibt seit über 20 Jahren Karate.

Herr Professor Schiefer, was wünschen Sie sich für die Zukunft der WSG?
Zwei Dinge wünsche ich mir für die WSG: Zum Ersten, dass die WSG so etwas wie ein vertrauter Ort für möglichst viele morphologische Psychologen und Psychologinnen in aller Welt wird. Vor allen Dingen für Morphologen, die nicht in Köln oder Berlin leben, ist die WSG eine schöne Möglichkeit, mehr Anbindung an die eigene psychologische Herkunft zu finden. Zum Zweiten wünsche ich mir, dass die WSG eine wachsende Plattform für an der Morphologie Interessierte bietet und sich für die Ausweitung morphologischer Denkweisen einsetzt.

Welches Gebiet oder Phänomen des menschlichen Lebens sollte morphologisch untersucht werden?
Es gibt eine für mich unübersehbare Vielfalt an Phänomenen, die bereits morphologisch untersucht worden sind. Daher möchte ich etwas anderes betonen: Die besondere Art zu sehen, zu fragen und vor allen Dingen zu denken. Diese spezifische Denkweise ist für mich gerade im wissenschaftlichen Diskurs an der Hochschule von zentraler Bedeutung. Hier braucht es eine kontinuierliche Unterstützung und das Herausarbeiten der besonderen methodisch-wissenschaftlichen Zugangsweisen der Morphologie.

Über welche Berührungspunkte haben Sie die psychologische Morphologie kennengelernt?
Im Gymnasium war Axel Dahm eine Klasse über mir und studierte ein Jahr vor mir in Köln Psychologie. Wir hatten keinen Kontakt in der Schule – wir gehörten sehr gegensätzlichen Subkulturen an –, aber er hielt in meiner 13. Klasse im Soziologieunterricht einen Vortrag über seine Erfahrungen des Psychologiestudierens in Köln. Ich war fasziniert von dem, was er über einen für mich völlig unbekannten Ansatz und dessen Schöpfer Wilhelm Salber erzählte. Mir ist in dieser Unterrichtsstunde klar geworden, dass ich (viel) mehr von diesem faszinierenden Ansatz erfahren will und dass ich genau dorthin gehen muss.
Im Studium habe ich mich sehr schnell von Wilhelm Salbers Morphologischer Psychologie begeistern lassen und mich als Schüler von ihm begriffen. Nach dem Vordiplom bekam ich bei Salber eine Stelle als studentischer Mitarbeiter und konnte jedes Semester eine kleine Veranstaltung mit Studierenden vor dem Vordiplom machen. Das hat diesen Identifizierungsprozess noch weiter gefestigt.

Welches psychologische Buch nehmen Sie immer mal wieder zur Hand?
Dante Alighieris Göttliche Komödie ist für mich ein immer wieder spannender Text, der mich mit ver-rückten Verwandlungen und heftigen Bilder konfrontiert, die Dante auf seiner Reise durch die Hölle, das Purgatorium und das Paradies begegnen. Als Reise in unser eigenes Inneres kann ich Dante immer wieder mit den unterschiedlichsten morphologischen und psychoanalytischen Konzepten verbinden (Todestrieb, Wiederholungszwang, Strafbedürfnis, psychotischer Kern, ewige Kreisbewegungen und doch die Hoffnung auf eine verändernde Verwandlung u.v.m.).
Das zweite Buch, das ich hier nennen kann, ist Freuds Traumdeutung. Ich nutze diesen Text regelmäßig, um daraus Beispiele für meine Vorlesungen zu entwickeln und meinen Studierenden eine andere Sicht auf seelische Produktionen zu zeigen.

Welches Land würde Sie einmal gerne bereisen?
Ich habe eine große Faszination für die Länder des südlichen Afrikas und hoffe, dass ich diese bald nach der Pandemie wieder bereisen kann. Eine etwas fernere Idee ist eine Motorradreise auf den japanischen Inseln.

Gestalt und Verwandlung ist das zentrale Urphänomen der psychologischen Morphologie: In wen oder was würden Sie sich gerne für einen Tag verwandeln?
Rückblickend habe ich in meinem Leben bereits sehr unterschiedliche Gestaltungen gelebt und mache dies auch heute teilweise parallel: Marktforscher, Unternehmer, Psychoanalytiker, Wissenschaftler, Karateka u.a.
Ein „unmöglicher“ Wunsch ist, sich in eine Frau zu verwandeln und für einen Tag die Welt mit ihren weiblichen Augen wahrzunehmen.