Porträt des WSG-Mitglieds Dr. Susan Hinterding
Dr. Susan Hinterding ist in Köln geboren und studierte dort Psychologie. Während des Studiums gab es immer wieder Ausflüge in die unterschiedlichen Fachbereiche und Forschungsmethoden der Psychologie. Medienpsychologie interessierte genauso sehr, wie die klinische Forschung, wo sie eine Diplomarbeit über die Früherkennung der Schizophrenie schrieb, um dann schlussendlich in der Marktforschung zu landen. Nach dem Studium folgte ein Trainee am rheingold-Institut. 2006 zog es sie nach Berlin, wo sie die Leitung der qualitativen Forschung für das Beratungsunternehmen NOHETO! übernahm und als Dozentin an der BSP für die qualitativen Forschungsmethoden tätig wurde. Neben der Ausbildung zur Intensivberaterin absolvierte sie in Berlin eine systemische Coaching-Ausbildung.
Gesellschaftspolitische Fragestellungen wurden für Frau Dr. Hinterding in den letzten Jahren immer relevanter. Im Rahmen ihrer Promotion hat sie sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie junge Menschen ihre berufliche Wirklichkeit in einer sich stark ändernden Arbeitswelt gestalten. In Kooperationsprojekten und eigenen Studien durfte sie den Fragen nachgehen, warum Menschen Mitglied in einer Gewerkschaft werden oder nicht. Was die Stadt Berlin für Touristen und Berliner attraktiv und lebenswert macht. Inwiefern Fitness-Tracker dabei helfen, sich in einer gleichwertigen Welt wiederzufinden. Welche Folgen die Lockdown-Phasen auf das zukünftige Studieren und Arbeiten haben werden. Zur Beantwortung dieser Fragestellung hat sich das morphologische Forschen als die Methode der Wahl bewiesen. In solch bewegten Zeiten ist eine Methode, die sich mit den Forschungsgegenständen mit zu bewegen weiß nicht wegdenkbar.
Susan Hinterding lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Berlin und vermisst seit einiger Zeit das Leben in NRW. Sie liebt Norwegen und isländische Musik und schaut sehr, sehr gerne Filme – dabei ist es nicht so wichtig, ob die wirklich gut sind. Sie hadert allerdings mit Remakes, weil sie in ihren Augen selten etwas besser machen und war doch über die Neuverfilmung ‚Dune‘ sehr überrascht.
Frau Dr. Hinterding, was wünschen sie sich für die Zukunft der WSG?
In den letzten anderthalb Jahren hat die WSG – aufgrund der Corona-Restriktionen – sehr viel digital angeboten. Dadurch konnte ich einige Veranstaltungen der WSG besser in meinen Alltag integrieren, die ich sonst nicht gesehen hätte. Auch die regelmäßige Teilnahme an einer Arbeitsgruppe der WSG wurde so möglich, obwohl die Mitwirkenden in unterschiedlichen Städten leben. Das hat die WSG bei mir sehr präsent und aktiv gehalten. Dabei haben sich sehr lebendige und spannende Diskussionen entwickelt. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass wir diese Möglichkeiten beibehalten können. Die digitalen Zusammentreffen sind kein Ersatz für das Zusammenkommen vor Ort. Aber sie sind eine gewinnbringende Ergänzung.
Welches Gebiet oder Phänomen des menschlichen Lebens sollte morphologisch untersucht werden?
Momentan stellt sich für mich persönlich die Frage, was man nicht morphologisch untersuchen sollte. Wir erleben gerade in allen Lebensbereichen Umbildungsprozesse, die unsere Gesellschaft vor einige Herausforderungen stellt. Ein morphologisch begleitender Blick scheint da in vielen Fragestellungen sinnvoll und hilfreich. Das zeigt sich bei der Analyse der Verwendungsmotive von Fitness-Trackern, der Studienwahl oder der Entwicklung von neuen Alltagseinheiten im Home-Office. Wenn ich ehrlich bin, will ich mich da gar nicht entscheiden.
Über welche Berührungspunkte haben sie die psychologische Morphologie kennengelernt?
Das erste Mal habe ich die Morphologie im Rahmen meines Psychologie-Studiums an der Universität zu Köln kennen gelernt. Der Zugang war anfangs schwierig. Mit dieser Form des psychologischen Denkens habe ich nicht gerechnet. Ich konnte das anfangs nicht greifen. Trotz der Ausflüge in andere Fachbereiche und Denkrichtungen ließ mich die Morphologie aber nie wirklich los. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch meine berufliche Wirklichkeit: Ein Praktikum an der K.A.M.M bei Armin Schulte; die Trainee-Ausbildung im rheingold-Institut; die Ausbildung in der Intensivberatung; die Arbeit als Dozentin an der BSP seit über 10 Jahren.
Welches psychologische Buch nehmen Sie immer mal wieder zur Hand?
Das ist gar nicht einfach zu beantworten, weil mich die Arbeit in der Lehre zu einer Querleserin gemacht hat. In der Hochschule arbeite ich gerne mit den Texten von Wilhelm Salber und Herbert Fitzek, wohlwissend, dass die Arbeit mit einigen dieser Texte nicht immer leichtfällt. Ich nutze gerne auch die Texte der morphologischen Autoren und Autorinnen, die Besonderheiten unserer heutigen Kultur beschreiben. In den letzten Jahren sind hier viele tolle Bücher von Kollegen und Kolleginnen veröffentlicht wurden. Z.B. das Buch ‚Die verlassene Generation‘ von Michael Ley und Carl Vierboom, die eine spannende Analyse der Herausforderung für Studierende in der heutigen Zeit angefertigt haben. Das Buch von Birgit Langelbartels ‚Leben im Leerlauf‘ empfehle ich immer sehr gerne, weil die Autorin in ihrem Werk über unterschiedliche Fallbeispiele das Wesen der Depression so gut beschreibt, dass sich Betroffene gut wiederfinden und Angehörige das Störungsbild besser greifen können. Ich mag Texte, die mir komplexe Dinge einfach erklären und mir dadurch helfen, die Dinge auch aus anderen Perspektiven zu sehen. Thomas Fuchs hat mich so ganz einfach in die Phänomenologie mitgenommen und der Soziologe Oliver Dimbath konnte mir anschaulich beschreiben, was die Soziologen über den subjektiven Sinn denken.
Welches Land würden Sie einmal gerne bereisen?
Island. Das ist der Plan für die nächste Reise. Ich mag den Rückzug in die Natur sehr. Da ich in meinem Alltag immer mit Menschen zu tun habe, suche ich auf Reisen oft stillere Orte.
Gestalt und Verwandlung ist das zentrale Urphänomen der psychologischen Morphologie: in wen oder was würden sie sich gerne für einen Tag verwandeln?
Momentan wäre da mein Favorit ein Eichhörnchen. Wir haben gerade ein kleines, freches Exemplar im Garten, das uns täglich besucht. Wenn es von Ast zu Ast springt, sieht das so schwerelos aus. Mir gefällt der Gedanke, in einem Baum zu wohnen.
Frau Dr. Hinterding, wir bedanken uns für Ihre Antworten.