Porträt des WSG-Mitglieds Luisa Haftendorn

Luisa Haftendorn

Luisa Haftendorn wurde in Berlin geboren. Ein Studium der Wirtschaftspsychologie hat sie mit dem Bachelor in Lüneburg abgeschlossen. Der Master-Abschluss folgte in Berlin an der BSP. Schon während ihrer Studien hat Frau Haftendorn Erfahrungen in der Personalentwicklung und Unternehmensberatung gesammelt. Derzeit arbeitet sie in einem Konzern und stellt dort ihre Expertise in Kulturanalyse, Personalentwicklung und Coaching zur Verfügung. Sie ist überdies freie Dozentin an der BSP. Perspektivisch sucht sie ein Tätigkeitsfeld in der Marktforschung und möchte das Konzept der “Intensivberatung” im Rahmen freiberuflicher, psychologischer Tätigkeit anbieten.

In ihrer Freizeit verbringt Frau Haftendorn die Zeit gerne mit Lesen. Sie genießt es, sich in fremde Welten hineinfallen zu lassen. Eine besondere Rolle spielt die Lektüre der Werke von Hermann Hesse (s.u. Fragebogen) Gerne würde Frau Haftendorn sich einen lang gehegten Wunsch erfüllen: das von vielen eigenartigerweise gehasste Fach Latein studieren, dabei den verschiedenen Wortbedeutungen nachgehen und sich an der Logik der Grammatik erfreuen.

Frau Haftendorn, was wünschen sie sich für die Zukunft der WSG?
Ich würde mich sehr freuen, wenn wir den Verein noch mehr in den Austausch bringen können und eventuelle Hürden abbauen. Ich empfand es als schwierig, in Kontakt mit den Mitgliedern zu kommen, die man noch nicht persönlich kennt. Daher freue ich mich auch über die aufkommenden Projekte und Arbeitsgruppen.

Welches Gebiet oder Phänomen des menschlichen Lebens sollte morphologisch untersucht werden?
Schon häufiger habe ich mich über das Konzept „Inneres Kind“ in der Psychotherapie gewundert. Es wird so überaus dankbar von vielen Menschen für die Interpretation ihres Verhaltens entgegengenommen und ich frage mich, was dieses Modell morphologisch gesehen leistet. Bisher konnte ich beobachten, dass es wie eine Projektion zu funktionieren scheint. Das unliebsame Verhalten wird irgendwie „ausgelagert“ und in der Analogie zu einem Kind „liebsam“ gemacht. Was wie ein Umweg zur Annahme der eigenen Gefühle und Handlungen erscheint, wird oft aber nur teilweise in das „Erwachsenen-Ich“ zur Verantwortung dessen übertragen. Es erinnert mich auch ein bisschen an Freud, wo man dann sagen kann: Naja, das ist jetzt halt mein Es oder mein Über-Ich gewesen. Was bringt es, die Komplexität des Seelischen in (An-) Teile einzuordnen?

Über welche Berührungspunkte haben sie die psychologische Morphologie kennengelernt?
Das Masterstudium an der BSP hat mich zur Morphologie gebracht. Ich merkte schnell, dass mir dieser Blick auf die Welt weit mehr geben kann als die Psychologie, die ich bis hierhin kennengelernt hatte. Denn wo ich als „Neuling“ der Morphologie zunächst nach psychologischen Mustern die Dinge zu erklären und einzuordnen versuchte, konnten meine Kommiliton:Innen die Dinge beschreiben und ganz andere, überraschend stimmigere Sinnzusammenhänge finden. Daraufhin habe ich neben der morphologischen Vertiefung die Ausbildung zur Analytischen Intensivberaterin begonnen. Anschließend bin ich der WSG beigetreten.

Welches psychologische Buch nehmen Sie immer mal wieder zur Hand?
Ab wann ist ein Buch psychologisch? Neben den Märchenanalysen waren fast alle Werke von Hermann Hesse war für mich ein augenöffnendes Erlebnis. Wer nach Beschreibungen des Alltags sucht, wird hier fündig. Und auch an Gedanken über das Leben spart Hesse nicht. Es gibt in dem Sammelwerk „Das Leben bestehen – Krisis und Wandlung“ eine Passage, in der er sich das Bewusste und Unbewusste im Gleichnis eines Sees vorstellt. An der Oberfläche befindet sich das Bewusste, darunter das zunehmend Unbewusste. Er überlegt dann:
„Reich und gesund nun und zum Glück fähig erscheint mir die Seele, in der aus dem großen Dunkel nach dem kleinen Lichtfelde hin ein beständiger, frischer Zuzug und Austausch vor sich geht. Die allermeisten Menschen hegen tausend Dinge in sich, welche niemals an die helle Oberfläche kommen, welche unten faulen und sich quälen. Darum, weil sie faulen und Qual machen, werden diese Dinge vom Bewusstsein immer und immer wieder zurückgewiesen, sie stehen unter Verdacht und werden gefürchtet. […] Kämen sie nach oben, sagt die Moral, so gäbe es ein Unglück. Es gäbe aber vielleicht gerade ein Glück!“

Welches Land würden Sie einmal gerne bereisen?
Ich wollte schon immer mal nach Tibet. Als Jugendliche fand ich den Buddhismus ziemlich spannend und habe diesen ganz stark mit Tibet verbunden. In meiner Vorstellung geht von dem Land eine heimelige und tiefe Ruhe aus und es fühlt sich an, als ob dort – ganz im buddhistischen Sinne – Erkenntnis wohnt. Wer sich jetzt fragt: Buddhistin bin ich trotzdem nicht geworden. Dann doch lieber Psychologin!

Gestalt und Verwandlung ist das zentrale Urphänomen der psychologischen Morphologie: in wen oder was würden sie sich gerne für einen Tag verwandeln?
Ehrlich gesagt – in einen Baum, der in der Stadt steht. Viele Menschen würden an mir vorbeilaufen und ihre traurigen, verliebten, gewohnten, schwerfälligen, gedankenverlorenen oder geschäftigen Schritte gehen. Ich liebe dieses Gefühl, wenn sich das Leben vor einem auftut.

Frau Haftendorn, wir bedanken uns für Ihre Antworten.