Hier können Sie das Video des Vortrags von Werner Pohlmann am 14. Dezember 2020 in der Wilhelm Salber Bibliothek sehen: "Über die allmähliche Verfertigung der Interventionen beim Behandeln"

Wegen der anhaltenden Kontaktbeschränkungen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurde die Veranstaltung als ZOOM-Meeting durchgeführt.

Herr Pohlmann ging von einem Text Heinrich von Kleists aus und legte an ihm beispielhaft die Explikation einer Vorgestalt dar. Die “Werkstätte der Vernunft” (Kleist) übersetzte er in das Konzept des “Gemeinsamen Werkes” (W. Salber) von Patient und Analytiker, aus dem heraus sich bedeutsame Gestalten entwickeln. Die Wendungen, Aufgliederungen in Verhältnissen und Verrückungen dieser Gestalten machen den bildhaften Zusammenhang von Behandlungsprozessen aus. Die Interventionen gehen aus ihnen mitunter “selbstredend” hervor. Anhand verschiedener Behandlungsvignetten aus der psychoanalytischen Literatur arbeitete Herr Pohlmann diesen Grundgedanken aus.

Der nächste Vortrag in der Wilhelm Salber Bibliothek: Ines Imdahl über Wirkungsprozesse bei der Nutzung sozialer Medien am 11. Januar 2021.

 


Von Linde Salber erhielten wir einen Kommentar zu dem Vortrag von Werner Pohlmann. Wir geben ihn an dieser Stelle wieder und laden auch andere dazu ein, sich an diesem “Nach-Gespräch” zu beteiligen:

Zu viel Sahnetörtchen?
Doch, das gibt es!

Dieses Schwelgen im Schwebenden, unterlegt mit literarischen Treffern der Könner, wer kennte das nicht? (Ich finde gar nicht in den Schlaf ohne ihre WunderWerke.)
Fehlte nur noch Heidegger; gut, Buber war dabei…
Freud kannte dieses Schwelgen auch, er nannte das „unendliche Analyse“, stellte ihr aber eine „endliche“ gegenüber. Und versagte Romain Rolland die Zustimmung zum Wagelaweia eines sogenannten „ozeanischen Gefühls“.

Wo also, bitte schön, bleibt der Gegenlauf?

Etwa der Verwandlung zeugende Aufeinanderprall der Gegensätze wie es das Filmgenie Sergej Eisenstein beschrieben hat? Wo das Prinzip der Montage, wie es die russischen Formalisten mit ihrer „morphologischen Methode“ in Nachfolge Goethes entdeckt haben, allen voran Viktor Schklowski, Juri Tynjanow, Boris Eichenbaum.

Nicht zu vergessen, Wilhelm Salber entwickelte mit der Intensivberatung das Konzept einer Kurztherapie; Konstruktionsmoment Nummer 1!

Wo also bleibt Wilhelm Salbers aus der schwelgenden Selbstbewegung lösende Konzept der Gestaltbrechung: Konstruktionen der Verwandlung – Konstruktionen der Behandlung! Und warum seine Rede von den Produktionshelfern der Verwandlung im Rahmen des gemeinsamen Behandlungswerks? Also die disziplinierende Beherzigung von Schräge, Indem, Zuspitzung usw.?

(Nebenbei: Was ist das für ein Tabu, was ist da so verpflichtend „fühlig“, dass Anmerkungen eines Therapeuten im Behandlungsprozess partout nicht in den Ruch kommen dürfen, sie könnten womöglich zynisch gemeint sein?)

„ES wird sich zeigen“,
lautete ein Lieblingswort der Anna Freud im Behandlungsverlauf.

Ja, ES wird sich zeigen, aber damit es das kann, und damit wir es auch merken, bedarf es einiger Konstruktionen und Umkonstruktionen, wie Freud sie in seinem langen Leben gebaut hat, um das Funktionieren des Seelischen verstehen und verständlich machen zu können.

Das ist in der Intensivberatung nicht anders. Das Arbeiten mit Märchenbildern (ausgerechnet!) verdankt sich der Vermittlungsnot des genüsslich freien Laufs seelischer Formenbildung mit der Wiederkehr fix gestellter Muster. Die Konstruktionen kommen nicht künstlich von außen („Exzentrisch“) oder aus der Theorie, sie sind bereits im Seelischen drin. Salber betonte die Notwendigkeit, dass Drehgrenzen der Selbstbehandlung „als solche“ spürbar werden, auch die jeweilige Art, sich dazu ins Verhältnis zu setzen. Wie sonst könnte die all-gemeine Bildstruktur eines Märchens überhaupt ins Getriebe einer individuellen Lebensgeschichte geraten (- in Kleist’scher Sprache), dergestalt dass eine neue Wendung der Lebensspirale ins Offene möglich wird.

Ok, was soll das nun, dass ich meine, offene Türen einrennen zu sollen. Das alles wissen wir doch alle, natürlich auch der Vortragende mit den künstlerischen Sahnetörtchen. Ich vermute, mir hat der Biss gefehlt oder anders: wo blieb der Carajillo, also der bittere Espresso mit einem hinlänglichen Schuss Brandy, der die Sahnetörtchen am Gegendreh ins Saure hätte hindern können …