Es sind noch nicht alle Bücher ausgepackt, aber die in diesen Wochen entstehende Wilhelm Salber Bibliothek zeigt schon jetzt eine Reihe von interessanten Abteilungen und Gruppierungen. Wir nehmen dies zum Anlass eine neue Reihe auf dieser Website zu eröffnen: "Berichte aus der Privatbibliothek Wilhelm Salbers". In lockeren Abständen werden sich Kollegen ein oder mehrere Bücher vornehmen und sie kurz vorstellen. So entsteht mit der Zeit ein Überblick über diese einzigartige und wertvolle Sammlung, die das kulturelle Universum ihres ehemaligen Besitzers repräsentiert.

Ein Besuch von Werner Pohlmann
Neulich lud mich Dirk Blothner zu einem Besuch in der zur Zeit entstehenden Wilhelm Salber Bibliothek in der Zülpicher Straße in Köln ein. Ich war gespannt auf eine Begegnung mit Wilhelm Salber und wollte persönlich erfahren, was von ihm in der Bibliothek heute zum Ausdruck kommt.

Zunächst sehe ich bis an die Decke reichende Regale voll mit Büchern und daneben noch eine Menge von Kisten mit Büchern, die noch gar nicht ausgepackt sind. Sodann komme ich in weitere Räume, in denen ebenfalls schon volle Regale stehen. Dirk Blothner und ich gehen an den Regalen entlang, entdeckend, was man selbst in seiner Bibliothek hat und „Ah, das wollte ich auch immer schon mal lesen!“.

Dann überkam mich die Neugier, in solche Bücher zu schauen, aus denen kleine Zettel ragten. Was hat ihn da interessiert? Finde ich darüber einen Zugang zu seinem Werk? Willkürlich greife ich ein Buch heraus. Es ist von einem mir unbekannten französischen Schriftsteller André Maurois mit dem Titel „Träumer und Denker“, in dem der Autor über verschiedene andere Schriftsteller schreibt. Ich schlage die Seite mit dem ersten Zettel auf und finde ein Kapitel mit der Überschrift „Ketzer“, einem Thema mit dem sich der englische Schriftsteller Chesterton beschäftigte, den der Autor folgendermaßen zitiert:

„Was kümmert es mich, ob Mr. Rudyard Kipling ein großer Künstler oder eine starke Persönlichkeit ist, mich interessiert er nur als Ketzer, das heißt insofern, als seine Ansichten die Kühnheit haben, von den meinen abzuweichen…“.

Ist Wilhelm Salber in gewisser Weise nicht auch ein „Ketzer“ gewesen? Aber er war auch ein Romantiker und über diesen Begriff konnte ich einige Seiten weiter lesen :

„Der wahre Romantiker entsteht dort, wo ein Mensch genötigt ist, den Zwang der Dinge und des Tuns auf sich zu nehmen. … Was dem Leben seinen Reiz gibt, ist die naturgegebene Beschränktheit, der Zwang, den Ereignissen standzuhalten, die wir nicht voraussehen konnten“.

So ließe sich das aus diesem Buch noch weiter fortsetzen, aber da waren wir schon im nächsten Raum und bei den Büchern von und über Goethe. Auch hier schlug ich einfach ein Buch der naturwissenschaftlichen Schriften Goethes auf und fand eine kurze Definition der Morphologie aus seinem Nachlass, die ich hier auch zitieren möchte:

„Morphologie
Ruht auf der Überzeugung daß alles was sei sich auch andeuten und zeigen müsse. Von den ersten physischen und chemischen Elementen an, bis zur geistigen Äußerung des Menschen lassen wir diesen Grundsatz gelten.
Wir wenden uns gleich zu dem was Gestalt hat. Das unorganische, das vegetative, das animale das menschliche deutet sich alles selbst an, es erscheint als das was es ist unserem äußeren, unserm inneren Sinn.
Die Gestalt ist ein bewegliches, ein werdendes, ein vergehendes. Gestaltenlehre ist Verwandlungslehre. Die Lehre der Metamorphose ist der Schlüssel zu allen Zeichen der Natur.“

Wilhelm Salber hat dieses Programm Goethes in seiner Psychologischen Morphologie entfaltet. Und so können wir auch in dieser Bibliothek etwas davon verspüren, durch was ein solches Werk bei seiner Entstehung durch muss.