Porträt des WSG-Mitglieds Dr. Wolfram Domke

Dr. Wolfram Domke war von 1986 bis 1994 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Psychologischen Institut der Universität zu Köln, das von Wilhelm Salber geleitet wurde. 1993 promovierte er mit einer empirischen Arbeit über Leserbriefe. Seit 1995 ist Domke als Wirkungsforscher im Bereich Markt und Medien tätig. Er ist Dozent am Adolf-Grimme-Institut, der Universität St. Gallen und Lehrbeauftragter der International School of Management in Dortmund sowie der Berliner Universität der Künste.

Dr. Domke ist zudem als niedergelassener Psychotherapeut in eigener Praxis und in der Ausbildung der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Intensivbehandlung (WGI) als Selbsterfahrungsleiter, Supervisor und Dozent tätig. Seit vielen Jahren leitet Dr. Domke die renommierte rheingold Akademie.

Wie wir erfahren haben, ist sein privates Leben u.a. durch seine Familie, seinen Hund, umfangreiche Lektüre und durch eine seit Jahrzehnten bestehende Verbindung mit dem 1. FC Köln bestimmt.

WSG-Mitglied Dr. Wolfram Domke

Herr Dr. Domke, was wünschen sie sich für die Zukunft der WSG?

Es wäre schön, wenn die WSG Gestalt und Verwandlung der Morphologie so zusammenbringen könnte, dass unsere Lieblingspsychologie weiterhin ein ‚living thing‘ bleibt. Diese immanente Lebendigkeit erscheint mir wichtiger als breitere Anerkennung.

Welches Gebiet oder Phänomen des menschlichen Lebens sollte morphologisch untersucht werden?

Die Erforschung des Alltages finde ich nach wie vor reizvoll. Sicher hat die Morphologie hier schon allerhand herausgefunden, aber es gibt im Reiche unserer gelebten Selbstverständlichkeiten noch immer vieles zu entdecken. Das zeigt sich bei der täglichen Arbeit sowohl in der Marktforschung als auch in psychotherapeutischen Stunden.

Über welche Berührungspunkte haben sie die psychologische Morphologie kennengelernt?

Von klein auf habe ich viel und gerne gelesen und betrachtete das zumeist als schöne Freizeitbeschäftigung neben dem, was sich als ‚Ernst des Lebens‘ jeweils gerade wichtigmachte. Als suchender Student kreuzte die Morphologie meinen Weg und eröffnete eine unverhoffte Verbindung zur Psychologie. Ein Salber-Seminar zum Don Quijote von Cervantes vermittelte dann einen ganz neuen Begriff vom Lesen, der mein bisheriges Bild seelischer Wirklichkeit ziemlich durcheinander wirbelte. Im morphologischen Konzept der ‚gelebten Literatur‘ bildeten die Fantastik einer Buchlektüre und der Realismus des geführten Lebens eine untrennbare Einheit. Eine vage Ahnung dieser meist tragikomischen Einheit brachte ich irgendwie wohl schon mit, sie nun aber wissenschaftlich bekräftigt zu sehen als ‚fantastischer Realismus‘, das war schon der entscheidende Berührungspunkt mit der Morphologie.

Welches psychologische Buch nehmen Sie immer mal wieder zur Hand?

Die „Märchenanalyse“ von Wilhelm Salber. Ein Buch, das so ganz anders von den Märchen spricht als wir es vom Alltag oder auch von der sonstigen Psychologie gewohnt sind. Eine Weile war es deshalb noch ein Buch mit sieben Siegeln für mich, aber in 30 Jahren Beschäftigung damit wurde es mir mehr und mehr zu einer wertvollen Sehhilfe für die andere, traumartige Seite des Seelischen. Ähnlich viel gelesen: „Der Alltag ist nicht grau“ vom selben Autor. Ein Buch, an dem wir als Studierende mit unseren Diplomarbeiten mitgewirkt haben. Der psychologische Clou: Ein neu gesetzter Bindestrich half jene Ganzheit wieder zu entdecken, die sich in der scheinbar banalen Formenvielfalt unseres Alltags immer wieder verbirgt: Den All-Tag.

Welches Land würden Sie einmal gerne bereisen?

Das Land, wo Tom Sawyer und Huckleberry Finn leben. Also nicht das geographische Land, sondern die Seelenlandschaft aus der Beschreibung von Mark Twain. Diese liegt – in neuer Übersetzung – seit einiger Zeit auf meinem Schreibtisch und wartet nach über 50 Jahren auf eine zweite Lesereise.

Gestalt und Verwandlung ist das zentrale Urphänomen der psychologischen Morphologie: in wen oder was würden sie sich gerne für einen Tag verwandeln?

Gerne würde ich mich in Heinz Flohe verwandeln und zwar am 29. April 1978. An diesem Tag führte er den 1. FC Köln durch einen 5:0-Auswärtssieg beim FC St. Pauli zur Deutschen Meisterschaft. Als Fans sind wir damals fast verrückt geworden, weil der punktgleiche Dauerrivale Borussia Mönchengladbach zur selben Zeit gegen Borussia Dortmund ein Tor nach dem anderen schoss. Da entstand ein verdächtig hohes Ergebnis (12:0), das es in der Bundesligageschichte weder vorher noch nachher jemals gegeben hat, und wir am Radio konnten überhaupt nichts dagegen tun. Zwischendurch schien alles schon verloren, aber Heinz Flohe behielt die Nerven: Schoss beherzt das Führungstor, riss seine Mitspieler zu vier weiteren Toren mit und konnte schließlich die Meisterschaftsschale in die Höhe recken – mit nur drei Toren Vorsprung!

Herr Dr. Domke wir bedanken uns für Ihre Antworten.