Porträt des WSG-Mitglieds Prof. Dr. Björn Zwingmann
Björn Zwingmann studierte Psychologie in Köln und war nebenher u.a. tätig für eine Kölner Casting-Agentur und für eine Online-Jugendberatung. Nach Studienende arbeitete er kurzzeitig in der klinischen Forschung an der Universitätsklinik in Düsseldorf und dann zehn Jahre lang als Therapeut in der forensischen Abteilung einer psychiatrischen Klinik, davon in den letzten Jahren als Leitender Psychologe. Er promovierte mit einer Untersuchung zu Goyas Schwarze Bildern im morphologischen Kunstcoaching bei Professor Herbert Fitzek und wendet die morphologische Kunstpsychologie bei Ausstellungs-Führungen und in Selbsterfahrungsgruppen an. Seit 2016 ist er als Psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker in Köln niedergelassen und war an der BSP Campus Hamburg als Dozent tätig. Er ist Lehrbeauftragter am Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie im Rheinland (IPR) und Supervisor für Mentalisierungsbasierte Psychotherapie (MBT). Seit dem Wintersemester 2018 ist er Professor für Medienpsychologie an der BSP Businessschool Berlin.
Herr Dr. Zwingmann, was wünschen sie sich für die Zukunft der WSG?
Ich versuch es mal mit einem Wunsch-Hexagramm: Dass man sich im Rahmen der WSG immer wieder der morphologischen Essentials vergewissern kann (Aneignung), dabei die Vielfalt morphologischer Standpunkte miteinander diskutiert und abstimmt (Anordnung) und gemeinsam entschiedene Positionen zu aktuellen Fragen entwickelt (Einwirkung). Andererseits hoffe ich, dass die WSG als Gesprächsforum zur lebendigen Weiterentwicklung der Morphologie beiträgt (Umbildung), indem man gemeinsam neue Forschungs- und Anwendungsfelder erkundet (Ausbreitung) und auch die eigenen Konzepte und Methoden kritisch reflektiert (Ausrüstung) – auch im Austausch mit und durch Kritik von außen.
Welches Gebiet oder Phänomen des menschlichen Lebens sollte morphologisch untersucht werden?
Es gibt immer neue relevante Themen, z.B. fällt mir gerade ein: Umweltschutz, Ernährungsformen, Sexualität und Beziehungsformen, politische Teilhabe. Morgen fällt mir bestimmt etwas ganz anderes ein.
Spannend wäre aber auch, die Morphologie selbst weiter zu untersuchen, ihre Methoden und Konzepte, z.B. hinsichtlich solcher Fragen wie: Was ist Sprache aus Sicht der Morphologie? In welchem Sinne können morphologische Untersuchungsergebnisse „wahr“ oder „falsch“ sein? Wie hängen die verschiedenen Verwandlungsprobleme, die bereits herausgearbeitet wurden, untereinander zusammen?
Über welche Berührungspunkte haben sie die psychologische Morphologie kennengelernt?
In Berührung kam ich mit der Morphologie im Studium (Wilhelm Salber war da schon emeritiert) über ein paar Seminare bei Dr. Norbert Endres und Professor Herbert Fitzek. Ich fand das alles ein bisschen faszinierend, aber auch sehr komisch, schwer verständlich und wollte gar nicht zu viel damit zu tun haben. Nach dem Diplom vermittelte mir meine Studien-Freundin Iris Tomiuk (heute Blothner) die Möglichkeit, als quantitativer Forscher an einem morphologischen Projekt von Fitzek und Ley mitzuwirken. Als Zaungast bekam ich mit, wie die Morphologen arbeiten: Das fand ich dann zwar immer noch irgendwie verrückt, aber auch wirklich spannend. Das erste Salber-Buch, das ich las, war „Der Alltag ist nicht grau“ und das hat mich richtig gepackt. Ich durfte mich dann nochmal – obwohl ich nicht mehr studierte – in Seminare bei Dr. Endres setzen (Alltag und Märchen). Schließlich habe ich mich entschieden, mein ursprüngliches Dissertationsprojekt aufzugeben und stattdessen eine morphologische Dissertation bei Prof. Fitzek zu schreiben. Aber es hat dann noch ein paar Jahre gedauert, bis ich das Gefühl hatte, Salbers Morphologie dafür wenigstens ausreichend gut zu verstehen.
Welches psychologische Buch nehmen Sie immer mal wieder zur Hand?
Wenn es um Morphologie geht, meistens Herbert Fitzeks Habilitationsschrift „Inhalt und Form von Ausdrucksbildungen als Zugangswege zur seelischen Wirklichkeit“.
Für die psychoanalytische Arbeit z.B. „The Abyss of Madness“ von George Atwood oder etwas anderes von einem Vertreter der psychoanalytischen Intersubjektivitätstheorie.
Welches Land würden Sie einmal gerne bereisen?
Hier würde ich Indien schreiben, aber einerseits habe ich auch ziemliche Angst vor den offenbar unvermeidlichen Magen-Darm-Erkrankungen, die Reisende dort befallen und außerdem hat Herr Bliersbach, der den Fragebogen vor mir beantwortet hat, das gleiche geantwortet. Andererseits fällt mir jetzt auch nichts Besseres ein.
Gestalt und Verwandlung ist das zentrale Urphänomen der psychologischen Morphologie: in wen oder was würden sie sich gerne für einen Tag verwandeln?
Entweder in Hegel, in der Hoffnung, ihn dann besser zu verstehen. Oder in vielleicht in Keith Haring um mitzubekommen, ob er so lebensfroh war, wie seine Bilder es für mich ausdrücken.
Herr Dr. Zwingmann wir bedanken uns für Ihre Antworten.