Die Katalogisierung der Wilhelm Salber Bibliothek ist fast abgeschlossen. Sie wurde von der Wilhelm Salber Gesellschaft finanziert und von der Philologin Katharina Tilemann durchgeführt. Bei der Durchsicht einzelner Bände finden sich immer wieder lose Blätter, die interessante Einblicke in Salbers Schaffen und Denken eröffnen. Dieses Mal geht es um eine kolorierte Zeichnung, die wir in einem Kunstband gefunden haben. Salber hat ihr einen Titel gegeben: "MuseumsTreff".

Szene im Museum

Das 30 x 21 Zentimeter große Bild hält eine Szene mit verschiedenen Besuchern in einem Museum fest. Beim Betrachten stellt sich eine Spannung her zwischen deren bewegten Gesten und den gerahmten Bildern an der Wand.

  • Das rechte Bild zeigt das Porträt eines Mannes mit Kopfbedeckung. Ein wenig erinnert es an ein bekanntes Selbstporträt Rembrandts.
  • Das linke Bild wird gesprengt durch eine Figur, die sich in den Rahmen eines Landschaftsbildes hineinschiebt und sich an die fünf Besucher im Raum zu richten scheint. Er könnte ein Museumsführer oder dergleichen sein. Es ist nicht zu übersehen, dass keiner der Museumsbesucher sich ihm zuwendet und ihm zuhört.
  • Links stehen zwei hoch gewachsene ‚Königinnen‘, die ihre schlanken Körper – ein wenig exhibitionistisch – gegen die hohe Decke strecken.
  • Ganz rechts versucht eine Figur in kurzer Hose auf sich aufmerksam zu machen, indem sie die Arme nach oben reckt. Die Figur trägt fünf Beutel vor dem Oberkörper. Es können auch ‘Brüste’ sein.
  • In der Mitte befindet sich ein Paar, das teils auf sich bezogen und teils – wegen der Drehung eines der Köpfe – auf das Geschehen im Raum gerichtet ist.
  • Schwer zu fassen sind das vasenähnliche Gebilde neben den ‚Königinnen‘ und die leicht verdrehte, hellgrüne Gestalt mit Flügeln, die sich auf gleicher Höhe wie die Bilder befindet. Die Vase scheint in diesem Moment umzukippen und einen Schwall Wasser zu vergießen.
Kolorierte Zeichnung von Wilhelm Salber: MuseumsTreff

Das unerhörte Werben der Kunst

Museum ist eine Konzentration von Kunstwerken. Aber diese sind nicht immer leicht zu goutieren. Über Kunstwerke verspüren wir die Wirkung eines Produktionsbetriebes, der ‚größer‘ ist als unser Wissen und Wollen. Kunst kann Blicke auf unbewusst Mitwirkendes anbieten. Das ist erregend, aber auch beunruhigend, denn es stellt manche Selbstverständlichkeiten in Frage.

Das ist der Grund weswegen wir uns im Museum manchmal unangreifbar wie Königinnen machen. Das ist auch der Grund, warum wir uns dort an Vertrautes halten wie das, ein in sich gekehrtes Oval bildendes, Paar in der Mitte. Oder wir führen das Subversive der Kunst weiter in einen Protest gegen den Kunstbetrieb. So kann man die Figur rechts verstehen.

Salbers Bild zeigt, dass sich verschiedene Umgangsformen mit der Wirklichkeit vor den Bildern im Museum aufbauen. Sie lassen sich nicht von den Bildern an der Wand verwandeln. Vielmehr verwandeln sie den Museumsraum mit ihren eigenen Auftritten und Dramen. Der Führer sucht mit Worten und Gesten ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, kommt aber gegen die Beschäftigungen der Besucher nicht an.

Wir verstehen: Salber hat eine Karikatur des Museumsbesuches gemalt. Schon mit dem Titel “MuseumsTreff” versetzt er der Szene eine komische Drehung. Gehen wir ins Museum, um uns von der Kunst bewegen zu lassen? Oder gehen wir ins Museum, um andere zu treffen? Wahrscheinlich ja beides oder mal so, mal so. Das ist menschlich. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber ein wenig komisch ist es doch.

Kunst ist auf Verweilen angewiesen

Und wo bleibt dabei die Kunst? Die Kunst ist dabei. Salber hat sie auf seiner Zeichnung nur ein wenig versteckt. Zum Beispiel in dem Moment, in dem die Vase umkippt und sich das Wasser dabei über den Boden ergießt. Die Kunst kann solche flüchtigen Momente festhalten und als ein Ereignis herausstellen. Aber man kann die Kunst auch in der leicht verwischten “Drehfigur” links über den ‘Königinnen’ erkennen. Sie wartet darauf, von den Besuchern bemerkt zu werden. Sie hat ihnen einiges zu bieten.

Die Menschen tun sich schwer damit, sich von Kunst berühren und bewegen zu lassen. Sie kommen mit dem Vorurteil ins Museum, dort ginge es um Wissen und Bildung. Viele sind eingeschüchtert und trauen sich nicht, auf ihre Erlebnisse zu hören. So gehen sie dem Verweilen, dem Wirken-Lassen von Kunst aus dem Weg. So sehr sich die Menschen nach Neuem, nach ungewöhnlichen Erlebnissen sehnen, so viel Angst haben sie auch vor den ‘schrecklich-schönen’ Verwandlungen, in die uns Werke der Kunst einbeziehen wollen.

Bilderleben in Köln

In Köln bietet die Initiative Bilderleben (Dr. H.C. Heiling et al.)  jede Woche Führungen durch Kölner Museen an. Dabei werden Bilder psychologisch beschrieben und interpretiert. Auf einen “Wissens-Kanon” wird dabei nicht zurückgegriffen. Er wird auch nicht bei den Besuchern vorausgesetzt.