Die Gestalt-Verwandlungen der Psyche finden in Sport, Spiel und Wettbewerb eine anschauliche Spiegelung ihrer selbst. Daher ist es naheliegend, dass die Psychologische Morphologie auch den Sport zu einem Betätigungsfeld gemacht hat. An der BSP Berlin hat sich unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Marlovits ein kompetentes Team von Morphologen gebildet, das diesen Ansatz in der Sportpsychologie vertritt. Im Frühjahr 2024 haben die Kollegen die 56. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (ASP) organisiert.
Um einen kleinen Eindruck von der morphologischen Sportpsychologie zu vermitteln, geben wir an dieser Stelle vier Beiträge von Kollegen wieder, die auf der Tagung im Frühjahr 2024 gesprochen haben:
Zum morphologischen Ansatz in der Sportpsychologie
“Der Sport lebt von Dynamik im Erleben und Verhalten. Sportereignisse, Spiel- und Saisonverläufe stellen Athlet:innen vor besondere Herausforderungen und wissen Zuschauer:innen zugleich in außergewöhnlichem Maße zu begeistern. Unerwartetes und Überraschendes passiert den Sportler:innen trotz jahrzehntelangen Trainings immer wieder. Die Morphologie bietet als psychologische Theorie eine Perspektive, um Phänomene des Sports ganzheitlich und strukturell zu verstehen. Unerklärliche Leistungseinbrüche, auffällige Wiederholungen in Wettkämpfen, kuriose Wendungen oder das Kippen von Spielen stellen Fragen an Theorie und Praxis der Sportpsychologie. … Die Morphologie folgt der Breite (und Tiefe!) des Alltagserlebens, der Faszination und Bedrohlichkeit der Kultur, sie thematisiert nicht zuletzt die herausfordernden Wirkungsfelder des Sports als Bewegungsablauf, Spielgestalt, Wettbewerb, im Übergang vom Training zur Performance, vom Leistungsabruf zum Medienereignis.” (Prof. Dr. Herbert Fitzek)
“Als Forschungsgegenstände werden Spiel-Formen wie das Fußballspiel, das Basketballspiel oder Verlaufsformen wie der Marathonlauf, der Hochsprung untersucht, also als Einheiten, wie wir sie im Alltag als solche bereits herausheben. Die morphologische Sportpsychologie verfolgt dabei das Ziel, die prozessuale Gestaltung dieser ausgedehnten Einheiten strukturell zu erfassen. Mit Hilfe des darüber gewonnen Beschreibungen wird das Ganze eines Sportphänomens in seinem strukturellen Zusammenhang verstehbar.” (Prof. Dr. Andreas Marlovits)
Beispiel Rugby
“Der kreative Moment im Rugby wird als Bruch einer aufgestauten Struktur erlebt. Dabei wird die notwendige psychologische Verfassung für kreativen Ausdruck durch drei zentrale Spannungszüge aufrechterhalten. Das Kreativsein wird als ständige Verhandlung zwischen Sicherheit und Risiko, zwischen Ordnung und Chaos wahrgenommen. Mit dem Durchbruch müssen Spielende einerseits sicher funktionieren, andererseits müssen sie bereit sein, Risiko einzugehen, um Kreatives geschehen zu lassen. Während der schmale Grat zwischen einem geordneten Chaos und einer verheerenden Unordnung navigiert wird, tritt der erfahrene Spielinstinkt gegen die Angst vor negativen Konsequenzen an.” (Rick Lautenberg)
Beispiel Dart
“Das Dart Spielen scheint auf den ersten Blick etwas sehr Banales zu sein. Setzt man dieses vermeintlich Banale in den Rahmen eines mit Bedeutung aufgeladenen Wettkampfs, entsteht ein faszinierender Wirkungsraum zwischen Leichtigkeit und Anspannung, zwischen Selbstvertrauen und Verunsicherung, zwischen Perfektion und Scheitern.” (Jasper Thöle)