Am 21. Januar 2012 war sie zu Gast in der Gesprächsreihe mit Maria Ugarova "Morphologie in der Praxis". Heute legen wir dem WSG-Mitglied Regina Stralka unseren Fragebogen vor. Lesen Sie hier das Porträt mit der Berliner Markt- und Kulturforscherin.
Regina Stralka schloss im Jahr 1982 ihr Studium bei Wilhelm Salber ab. Sie studierte u.a. mit Joachim Enders, Gabriele Mansfeld und Peter Thönes. Zu dieser Zeit war sie zudem wissenschaftliche Assistentin am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nimwegen bei Prof. Weissenborn und absolvierte eine Zusatzausbildung in Kunst und Design an der Werkschule Köln.
Auf das Psychologie-Studium folgte eine Zeit hauptsächlich künstlerischer Aktivitäten mit Aufenthalt in den USA. Danach arbeitete sie am Markt- und Medienforschungsinstitut IFM-Freiburg (Prof. Dr. Melchers) und führte – zusammen mit Peter Franken – Automobilprojekte für die GfK Nürnberg durch.
1996 gründete Frau Stralka zusammen mit Alan Lasak ein Institut für Morphologie plus Designanalyse mit Schwerpunkt Automobilforschung für F&E, Produktentwicklung, Markenstrategie und Design mit dem Namen Public Perception. Das Institut fokussierte sich zunächst auf Studien zu Wechselbezügen zwischen Materialqualitäten, Design, Nutzungsmotiven, Markenbildern und Kulturfaktoren. Internationale on location Studien für Lead-Management – z.B. für BMW, Honda, Mini in EU, China, USA – und Studien zu zukunftsorientierten Antriebssystemen oder auch humanoiden Robotern (Honda) folgten. Dann ein Sprung in den Pharmabereich mit Studien zu psychischen Erkrankungsbildern, Volkskrankheiten wie Diabetes und Depression, Verordnungsstrategien und Gesundheitspolitik . In diesem Zusammenhang entstanden Publikationen zu Patientenbedürfnisstudien für den gemeinsamen Bundesausschuss sowie – in jüngster Zeit – zum Depressionserleben in Corona-Zeiten. Seit 2019 führt Public Perception auch morphologisch ausgerichtete Big Data Analysen mit KI-Partner Symanto, z.B. zu Kauf-und Nutzungsmotiven von Produkten und zu kollektiven Stimmungslagen durch.
In ihrem Privatleben streift Regina Stralka gerne durch die Museen und Ausstellungen nicht nur Berlins und macht ausgiebige Spaziergänge im Grunewald. Sie arbeitet an neuen Ideen und entwickelt Foto- und Videoarbeiten. Ihr Interesse für alte und neue Filme nimmt ebenfalls einen guten Teil ihrer Freizeitaktivitäten ein. Darüber hinaus liebt sie es, mit langjährigen Freunden so viel und so weit zu reisen, wie es sich einrichten lässt.
Frau Stralka, was wünschen sie sich für die Zukunft der WSG?
Mehr Präsenz der WSG auf der ‚Weltbühne‘. Anlaufstelle für morphologische Forschung, „die“ Institution mit der not-wendigen „Ausrüstung“ zur Einordnung der psychologisch wirksamen, kollektiven Dynamiken zwischen Realität und Fiktion und der zunehmenden „Psychisierung“ von Ereignissen. Wie Vorreiter Stephan Grünewald.
Mitglieder-AGs und Diskussionsforen zu zwei, drei vereinbarten aktuellen Themenbereichen. Morphologie-Vertiefung, z.B. ein Seminarprogramm zur Morphologie der Märchen, z.B. durch Experten wie Herrn Domke. Im Sinne der Morphologie auch Medien wie Ton, Bild und soziale Medien aufgreifen – ich finde
z.B. die Zoom-Events sehr anregend und lebendig. Ein schöner Austausch.
Welches Gebiet oder Phänomen des menschlichen Lebens sollte morphologisch untersucht werden?
Was es mit dem gerade stattfindenden, „gefühlten“ Epochenumbruch auf sich hat. Wie sich die Zeitkonstruktion verändert (Zukunft rückt in die Gegenwart ein – einige Gruppen leben schon die Zukunft, andere wie vor hundert Jahren), wie sich das Seelische im Zusammenwachsen von Menschen und Dingen und im „Virtuellen“ formiert.
Über welche Berührungspunkte haben sie die psychologische Morphologie kennengelernt?
Aus Köln kommend mit aktiver Neigung zu Psychologie & Kunst „gasthörend“ vor dem Studium. Das war der Aufbruch in eine anhaltende Entdeckungsreise ins Leben und die Kunst. Waren mir vorher die Außenwelt und das Wirken der Dinge ziemlich mysteriös, lernte ich hier am Beispiel einfachster Dinge zu erfassen, wie Alltag und Kultur funktionieren.
Welches psychologische Buch nehmen Sie immer mal wieder zur Hand?
Freuds Schriften zur Kultur; aktuell Linde Salber „Psychologie für die Westentasche“ und ihr Roman „Herzmusterstrickjacke“, Dirk Blothner „Das geheime Drehbuch des Lebens“ zur Filmpsychologie, Wilhelm Salber „Kunst, Psychologie, Behandlung“ als ‚Vademekum‘.
Welches Land würden sie einmal gerne bereisen?
Nachdem ich an manchen Orten zu viel und an anderen zu wenig Zeit verbracht habe, möchte ich an vielen anderen Orte mehr über die Welt zu erfahren.
Gestalt und Verwandlung ist das zentrale Urphänomen der psychologischen Morphologie: in wen oder was würden sie sich gerne für einen Tag verwandeln?
In einen Zeitreisenden. In der Zeit rückwärts reisen und Dinge ändern, in der Zeit vorwärts reisen und erfahren, wie sich die Dinge entwickeln.
Frau Stralka, wir bedanken uns für Ihre Antworten.